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Sapere aude! - Habe den Mut, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen!

Porträt von Samuel Hahnemann, Quelle: Wiki Commons, Wellcome Trust (s. Angaben unten)

Das Leben des Aufklärers und Arztes Samuel Hahnemann

TEIL 1: Wage zu wissen

Das von Immanuel Kant geprägte Motto der Aufklärung, "Sapere aude!", wortwörtlich übersetzt „Wage zu wissen“ oder "Wage es, weise zu sein", schallt ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts durch Europa und erreicht mit der Französischen Revolution Ende des 18. Jahrhunderts ihren Höhepunkt.

Bedeutende Vertreter dieser Epoche waren Jean Jacques Rousseau, Voltaire, Immanuel Kant, Friedrich Schiller und Friedrich der Große. Ihnen gemeinsam ist das Ziel, die Menschen aus ihrer auferlegten Unmündigkeit hinaus zu führen und im Vertrauen auf eine kritische Öffentlichkeit durch den Kampf gegen bestehende Vorurteile, durch Toleranz und durch die Hinwendung zu den Naturwissenschaften und zum rationalen Denken alle den Fortschritt behindernden Strukturen aufzulösen.

 

Geburt eines Genies

Inmitten dieser Zeit des gewaltigen gesellschaftlichen Umbruchs wird am 10. April 1755 in Meißen Christian Friedrich Samuel Hahnemann als Sohn eines Porzellanmalers geboren.

Porzellanmanufaktur Meißen, Quelle: s. unten

Zehn Jahre zuvor war die Stadt kampflos vom preußischen Oberbefehlshaber Leopold I. von Anhalt-Dessau eingenommen worden und hatte sich bis dato gerade von den Folgen des Zweiten Schlesischen Krieges von 1744/45 erholt. Vater, Onkel und Großvater arbeiten für die berühmte, von August dem Starken begründete Porzellanmanufaktur in Meißen, auf deren wirtschaftliche Lage der Krieg keinen Einfluss hatte und die es dem Vater zwei Jahre vor der Geburt seines dritten Kindes ermöglicht, ein dreistöckiges Eckhaus in der Meißner Triebischvorstadt für die Kaufsumme von 473 Talern zu erwerben, was der Summe von zwei Jahresgehältern eines Porzellanmalers entspricht.

Meißen-Tribischstadt, Quelle: s. unten

Porzellanmaler benötigen bis heute hohe künstlerische Fähigkeiten und übertragen ihre Motive mit absoluter Präzision. Die Fähigkeiten des Vaters gehen weit über das übliche Maß hinaus, findet er doch namentlich in den Akten der Manufaktur von 1776 als Figurenmaler III.Klasse Erwähnung und erhält 1785 einhundert Taler Prämie für den mit seinem zum Apotheker ausgebildeten Sohn Samuel August zusammen erfolgreich durchgeführten Versuch zur inneren Verbesserung der Porzellanmasse. Auch schreibt der Vater ein heute nur noch selten zu findendes Buch über die Aquarellmalerei.

Den Eltern war eine gute Bildung und Erziehung ihrer Kinder wichtig. So erhält Samuel Hahnemann, genau wie seine Geschwister, frühzeitig Unterricht von den Eltern im Lesen und Schreiben und lernt seinen Kopf für eigene Gedankengänge und für logisches Schlussfolgern zu nutzen. Ein wacher Blick für naturwissenschaftliche Zusammenhänge und eine hohe künstlerische Intuition treffen bei Samuel Hahnemann mit der Lehre des Vaters über das Ideal der Menschenwürde und einer gesunden Lebensführung zusammen und bestimmen seinen zukünftigen Werdegang, der ihn herausführen wird aus den alten Vorstellungen von Heilkunst und den damit verbundenen überholten Methoden.

 

Schulische Förderung durch den Herzog

Im Siebenjährigen Krieg verkommt die Porzellanmanufaktur. Friedrich der Große marschiert plündernd in Meißen ein, die Porzellanmaler werden vorübergehend in Naturalien – also mit Porzellan – bezahlt. So fehlen den Eltern die Mittel, den geistig aktiven und hochbegabten Sohn entsprechend zu fördern, und so sollte Samuel eine Lehre in einer Leipziger Materialwarenhandlung beginnen. Der Flucht zurück ins Elternhaus folgte dank seines Förderers, Magister Müller, und dem Gesuch des Vaters beim Landesherren, Herzog Friedrich August, 1770 sein Eintritt an der berühmten Fürsten- und Landesschule St. Afra, welche auch von Christian Fürchtegott Gellert und Gotthold Ephraim Lessing besucht wurde. Hahnemann wurde in die Obhut seines Lehrers Müller befohlen, bei welchem er wohnte und ihm als Gehilfe zur Hand ging. Die humanistische Bildung der Schule St. Afra umfasste Latein, Hebräisch und Griechisch, vermittelte den Aufbau antiker Schriften, von Bibeltexten sowie Arithmetik und Musik.

St. Afra zu Meißen, Quelle: s. unten

Seine besondere Begabung für Sprachen sollte ihm auf seinem späteren Lebensweg noch wichtige Erkenntnisse vermitteln und wurden zusammen mit seiner ungewöhnlichen Aufmerksamkeit, seinem Fleiß und seiner Ausdauer in seinem lateinischen Abschlusszeugnis der Schule besonders hervorgehoben. Neben herausragenden Arbeiten in Französisch und Griechisch fällt besonders seine lateinische Oratio auf, welche vom Bau der menschlichen Hand handelt und anatomische Grundkenntnisse beinhaltet – ein Hinweis auf seine medizinische Neigung und seinen Wunsch, Arzt zu werden.

 

Studium und erste medizinische Arbeiten

Um diese Studienpläne in die Tat umzusetzen bedarf es mehr als der - letztmaligen - Unterstützung durch seinen Vater mit 20 Talern. Und so tritt der Meißner Mediziner und Kommissarius der Königlich-Sächsischen Porzellanmanufaktur, Dr. Carl Wilhelm Poerner, als neuer Gönner an die Seite des jungen Hahnemann und ermöglicht ihm 1775 den Beginn seines Medizinstudiums in Leipzig, indem er dafür sorgt, dass Hahnemann vom damals üblichen Hörergeld der Universität befreit wird. Den Lebensunterhalt bestreitet Hahnemann aus Privatunterricht in Deutsch und Französisch für einen jungen reichen Griechen und mit ersten Übersetzungen medizinischer Fachtexte aus dem Englischen. Eine seiner Übersetzungen, der „Versuch über die mineralischen Wasser“ von 1777 von William Falconer, widmet er aus Dankbarkeit seinem Gönner Dr. C.W. Poerner. Trotz eines bereits recht großen Angebotes an Lehrveranstaltungen besuchte Hahnemann nur diejenigen, von denen er glaubte, dass sie ihm dienlich seien. Bereits zu dieser Zeit achtete er sehr auf eine ausgleichende Lebensweise für Körper und Geist mit viel Bewegung an frischer Luft.

Obwohl die Entdeckung des Blutkreislaufes bereits mehr als einhundert Jahre zurückliegt und Albrecht von Haller schon seine Theorie über physiologische Reize veröffentlicht hat, bewegt sich in dieser Zeit des Umdenkens und Umbruchs die Medizin nur langsam aus ihren alten und starren Grenzen heraus. Noch während der junge Hahnemann seine neu gewonnenen Erkenntnisse vertieft, erlebt die Welt 1796 die erste Impfung gegen Pocken. Erst spät, kurz vor Hahnemanns Tod, wird liegt mit Jakob Henles Untersuchungen „Von den Miasmen und Contagien und von den miasmatisch-contagiösen Krankheiten“ eine Theorie über Mikroorganismen als Ursache von Infektionskrankheiten vorliegen. Hahnemann selbst wird schon früh seinen Verdacht äußern, dass Mikroorganismen für die Infektionskrankheiten verantwortlich seien.

 

Auf der Suche nach einer besseren medizinischen Lehre: Wien und Siebenbürgen

Und so geht Hahnemann, unzufrieden wegen des fehlenden Praxisbezuges der Universitätslehre, trotz bescheidener finanzieller Mittel 1777 an die Universität nach Wien. Hier stößt er auf den akademischen Rektor, den er in Leipzig vergebens suchte: den kaiserlichen Leibarzt Maria Theresias und damaligen Direktor des Spitals der Barmherzigen Brüder in der Leopoldstadt, Joseph Freiherr von Quarin. Hahnemann findet in seinem neuen Wiener Lehrer ein großes praktisches Genie, dem er alles verdanke, was an ihm Arzt genannt werden könne. Quarin schätzte seinen gelehrigen hochbegabten Schüler und nahm ihn nicht nur an die Krankenbetten in das von ihm geleitete Spital mit, sondern als besonders Privileg auch zu Krankenvisiten bei seinen Privatpatienten. Diese freundschaftliche Verbundenheit und den Beweis seiner besonderen Gunst, wie Hahnemann selbst schreibt, vergisst er nie.

Doch leider zwingen ihn seine aufgebrauchten finanziellen Mittel bereits nach einem Dreivierteljahr zum Abbruch des Studiums in der Donaustadt. Zum Retter in der Not wird dieses Mal Freiherr Samuel von Bruckenthal, der 1777 von der Kaiserin Maria Theresia zum Statthalter in Siebenbürgen ernannt wurde und in Hermannstadt residierte.

Hermannstadt, Quelle: s. unten

Dort bietet er Hahnemann eine Stelle als Bibliothekar und Leibarzt an. Viel ist über Hahnemanns Arbeit als Leibarzt nicht bekannt, jedoch über seine Arbeit in der mit rund 13.000 Bänden für damalige Verhältnisse bereits beträchtlichen Bibliothek des der Aufklärung wohlgesonnenen Juristen von Brukenthal. Hier arbeitet Hahnemann an einem in Leder gebundenen und heute noch erhaltenen Katalog mit, dessen Spektrum über philosophische, religiöse bis hin zu naturwissenschaftlichen und medizinischen Texten reicht. In Hermannstadt wird er auch 1777 in die Freimaurerloge „Zu den drei Seeblättern“ aufgenommen und in den nächsten beiden Jahren mit zahlreichen Fällen des Wechselfiebers Malaria konfrontiert.

Freimaurer-Symbol, Quelle: s. unten

Mit den bescheidenen Mitteln, die er in Siebenbürgen ansparen konnte, kehrt er zurück und schließt im August 1779 an der Friedrichs Universität Erlangen sein Medizinstudium mit der Promotion zum Doktor der Medizin ab.

 Altes Kollegien-Gebäude in Erlangen, Quelle: s. unten

 

Entwicklung der homöopathischen Grundidee

1780 lässt sich der junge Doktor in Hettstedt nieder. Doch der Alltag aus Schröpfen, Aderlass und unwirksamen Arzneimittelverordnungen befriedigen ihn nicht. Er erkennt die Unzulänglichkeiten der damals vorherrschenden Methoden und die Gefahren, die von ihnen für Wohlergehen und Leben der Patienten ausgehen.

Das Leben der folgenden beiden Jahrzehnte ist von stetem Herumziehen und zahlreichen Entbehrungen geprägt. So geht er bereits nach einem Jahr nach Dessau, wo er am 1. Dezember 1781 seine erste Frau Henriette Küchler heiratet, mit der er neun Töchter und zwei Söhne zeugen wird. Zunächst noch als Arzt tätig, beginnt er sich mit chemischen Untersuchungen zu beschäftigen. Er gibt aus humanitären Gründen und der für ihn ethischen Nichtvereinbarkeit seiner ärztlichen Tätigkeit mit seinem Ideal der Menschenwürde seine praktizierende Tätigkeit als Arzt auf und verdient das Geld für den Lebensunterhalt seiner schnell wachsenden Familie mit Übersetzungen von Werken aus der Chemie und Medizin, die er mit eigenen Anmerkungen zusätzlich aufwertet. So übersetzt er auch für den 1790 verstorbenen Edward Cullen dessen Materia medica und veröffentlicht ein Buch "Unterricht für Wundärzte über venerische Krankheiten". Bei Cullens Buch fügt er wieder Fussnoten mit eigenen Bemerkungen ein und stößt auf einen Widerspruch: Cullen schreibt Chinarinde eine magenstärkende Wirkung bei Malaria zu, was für den mit der Krankheit vertrauten Hahnemann nicht nachvollziehbar ist. So entschließt sich Hahnemann zum berühmten Selbstversuch mit Chinarinde und äußert vorsichtig die Vermutung, dass die zugrunde liegende Ähnlichkeit der bei ihm als gesundem Menschen hervorgerufenen Symptome mit denen des Wechselfiebers für dessen Heilung verantwortlich sei. Mit dieser Erkenntnis ist der erste mühsame Schritt hin zu einer neuen Heilmethode getan.

 

TEIL 2 folgt.

 

 

Quellen:

Biesewig-Behrendt, G., Vergessene Mediziner, Teil: Jakob Henle, Berlin, 2009

Campbell, Anthony, Homeopathy in Perspective, Lulu.com, 2008

DUDEN Paetec Abiturwissen Geschichte, Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG Mannheim und Duden Paetec GmbH Berlin, 2007

DUDEN Paetec Abiturwissen Literatur, Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG, Mannheim und Duden Paetec GmbH Berlin, 2007

Fritsche, Herbert, Samuel Hahnemann - Idee und Wirklichkeit der Homöopathie, Winterwork Borsdorf, 2014

Jütte, Robert, Samuel Hahnemann: Begründer der Homöopathie, Deutscher Taschenbuch Verlag, 2007

http://de.wikipedia.org/wiki/Blutkreislauf#Forschungsgeschichte

de.wikipedia.org/wiki/Edward_Jenner

http://de.wikipedia.org/wiki/Aufklärung_(Literatur)

de.wikipedia.org/wiki/Samuel_Hahnemann

http://www.textlog.de/medizin-praxis-homoeopathie/hahnemanns-leben-und-wirken.html

 

Bildquellen:

 

Portrait of Dr. Samuel Hahnemann, Wikimedia Commons, Bildlizenz: CC BY-4.0 creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.en, (c) Wellcome Trust, wellcomeimages.org/indexplus/image/L0047458.html

Porzellanmanufaktur Meissen von 1867; Wikimedia Commons, gemeinfrei

Meissen-Tribischstadt, Wikimedia Commons, gemeinfrei, Originalbildname: Die_Gartenlaube_(1869)_b_109.jpg

St. Afra zu Meissen; Wikimedia Commons, gemeinfrei, Quelle: Illustrirte Zeitung, Nr. 6 vom 5. August 1843, J. J. Weber, Leipzig 1843. MDZ München

Zeichen der Freimaurer, Wikimedia Commons, Bildlizenz: creativecommons.org/licenses/by/2.0/deed.en, Bildautor: Jens Rusch

Altstadt von Herrmannstadt, Wikimedia Commons, Bildlizenz: creativecommons.org/licenses/by/2.0/deed.en, Originalbildname: Panoramic of Sibiu, Romania, with the Orthodox Cathedral, Bildautor: CamilG

Universität zu Erlangen um 1890, Wikimedia Commons, gemeinfrei